Alles Gute zum Weltmädchentag, ihr Kaffeeschubsen von morgen!

Als ich mit 17 bei Bayer zum Vorstellungsgespräch saß und ich nach ganztägigem Assessment Center mit kreativem Brückenbauen und simulierten Kundengespräch auf die Entscheidung zur Einstellung wartete, hätte ich es wissen müssen. Ich hätte es wissen müssen, als mich mein männliches Gegenüber geraderaus fragte, ob ich “denn auch mal Kaffee kochen” würde. Herzlichen Glückwunsch Mina, scheiß auf Klasse überspringen, gute Noten und sämtliches Engagement - darauf wird es dein Leben lang hinaus laufen. Die Frau, mal quotiert eingestellt, mal weil man wirklich glaubt dass du was kannst, die im Endeffekt aber niemals mehr sein darf als die nette Ergänzung in der Abteilung.

Liebe Mädchen, ich wünsche euch alles Liebe zum Weltmädchentag - und das ist euer Vermächtnis. Kaffee kochen, gut aussehen, nett sein. Nicht zu viel fordern. Wenn euch ein Kollege die Tür auf hält und sagt “Sie wissen doch warum Männern Frauen die Tür auf halten? Um ihnen auf den Arsch zu gucken!” lächelt ihr das weg und geht charmant durch die Tür. Wenn alle eure männlichen Kollegen befördert werden und ihr im Vorstellungsgespräch gefragt werdet ob ihr mit einem Kunden ins Bett gehen würdet wenn er das will, lächelt ihr und macht in diesem Witz mit. Es ist ja alles nicht so gemeint. Habt euch nicht so! Die Männer machen ja nur Spaß mit euch. So zeigen sie euch, dasss ihr welche von ihnen seid.

Liebe Mädchen, nein. Ihr solltet heute keinen Weltmädchentag feiern. Ihr solltet Weltwölfinnentag feiern. Ihr müsst die Zähne fletschen und diesen manchmal gemeinen, manchmal uninformierten, manchmal egoistischen, manchmal schlichtweg ignoranten Arschlöcher zeigen, dass sie sich dahin verziehen können wo die Sonne nicht scheint. Schluss mit Haare zusammen machen um mit weiblichen Reizen nicht die ganze Abteilung abzulenken. Stellt eure Haare auf und feilt eure Krallen. Wörtlich und bildlich. Ihr seid noch jung. Das Leben ist unfair. Übt euch schon mal - es wird wohl die nächsten Jahrzehnte so weiter gehen.

Und wenn dann in ein paar Jahren wieder der kleine Mann aus Angst ihm könne etwas aus seiner von Geburt an privilegierten Position die er einem Stück Fleisch zwischen seinen Beinen verdankt weggenommen werden, dann schaut ihm geradeweg in die Augen und weicht nicht zurück. Soll er doch eure Treffen zum Netzwerken als Kaffee und Kuchen veralbern. Wenn ihr an der Macht seid, ist er eben der erste, der geht (zur Referenz unten ein Zitat über Roseanne angehängt). Solidarisiert euch mit anderen Frauen. Tut euch zusammen. Natürlich kommt das scheiße an: statistisch gesehen sind Frauen ohnehin besser gebildet und auch in Führungspositionen erfolgreicher (wenn man sie mal lässt). Natürlich kann einem das schon mal Angst machen, wenn man kurz vorm Kontrollverlust steht, seine eigene privilegierte Stellung bedroht sieht und es eben nötig hat, weil man seine Stellung hat, weil man eben ein Mann ist - und sonst aber nicht außerordentlich begabt (oh ja, diese Argumentation werdet ihr so oft hören, nur andersrum: mit Quotenfrauen. Scheißt drauf. Sie. Haben. Einfach. Keine. Ahnung.).

Informiert euch, liebe Mädchen, über Feminismus - ihr seid die Frauen von morgen. Informiert euch, und dann informiert andere Frauen, und Mädchen. Erklärt allen Mädchen und Frauen gegenüber stets geduldig und einladend - sie sind eure Verbündete, selbst wenn sie es noch nicht wissen. Das mag pathetisch klingen - es ist schon längst so. Wappnet euch. Macht ist Krieg. Es wird nicht einfach sein für euch, gute Stellen zu bekommen. Verbiegt euch nicht. Und scheißt auf Diskussionen mit Menschen, die euch emotional nur aufreiben, aber sonst nichts bringen. Lernt den Unterschied, und lernt ihn schnell. Es wird euch so viel ersparen.

Ja, liebe Mädchen, ich wünsche euch das alles zum Weltmädchentag. Ihr mögt kein rosa? Gut, tragt euer schwarz mit Stolz und schmeißt das Lego für Mädchen in die Tonne. Ihr mögt rosa? Gut, tragt es mit Stolz und blendet die Männer, die meinen sie müssten euch deswegen nicht ernst nehmen. Und schreibt sie auf die Liste. Aber was immer ihr tut: bleibt bei euch. Steht zu euch.

Ich wünsche euch viel Erfolg.
x - Mina

During the first season or two of Roseanne, Roseanne Barr was treated horribly by the producers, who wanted to get rid of her, even though she was the creative genius behind the show, which was based entirely on characters she had developed. She went with “success is the best revenge,” working extra hard to make sure the show hit the #1 spot, knowing at that point she could seize creative control. She hung out with the crew and supportive castmembers (including John Goodman, who flat refused to do the show without her), and put a list on her door. That list had the name of every single person who worked on the show. When they pissed her off, she’d cross off their name in red. Everyone in red was to be fired the second she was in charge. She took this policy from Machiavelli, and she made good on it. Her first move was to fire everyone who had tried to shut her down. She also promoted a number of women writers and fired a number of men writers for being sexist. [x]

Veröffentlicht von Mina

Die Frau für Dingens und Gedöns. Und was sonst noch so anfällt.

20 Kommentare

  1. Danke! Super geschrieben und ich hoffe viele nehmen es sich zu Herzen! Wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein sollten/könnten und um dort hin zukommen müssen wir zusammen halten und immer wieder mal die Zähne fletschen…wenn ich daran denke, wie mein Buchhalter mit mir redet, wird es mir immer wieder schmerzlich bewusst. Aber dank deines Textes heute, weiss ich eins ganz genau:, Montag sage ich ihm die Meinung, ich bin nämlich kein kleines Mädchen, sondern die (verdiente) Leitung der Einrichtung und er steht absolut nicht über mir!

  2. Hallo,
    auch als Mann weiß ich, dass leider immer noch viel Sexismus existiert und finde dies widerwärtig.
    Als Physiker komme ich aus einer klassisch männerlastigen Domäne. Als Frau müsse man unglaublich aggressiv sein, um sich in der theoretischen Physik zu behaupten, erklärte mir einst eine Kollegin. Deshalb wolle sie an die Fakultät für Historik wechseln.

    Ich finde es schade, dass Frauen quasi aus den Naturwissenschaften vertrieben werden. Es ist sehr ungerecht, und wir verlieren so auch ein riesiges Forschungspotential. Viele wichtige Entdeckungen wurden von Frauen gemacht, entgegen aller Diskriminierung: Ada Lovelace - Algorithmik, Computer, Marie Curie - Radioaktivität, Lise Meitner - Kernspaltung, Kernenergetik, Emmy Noether - Symmetrien und Erhaltungssätze, Jill Tarter - SETI (okay hierbei noch keine Entdeckung aber das Projekt ist richtungsweisend).

    Könnten Frauen und Männer nicht gemeinsam den Sexismus (und andere Arten der Diskriminierung) bekämpfen? Mir wäre daran gelegen.

    Viele Grüße,
    F.

  3. Pingback: Der falsche Feminismus? « Tante Jays Café

  4. Endlich eine junge Frau, die sich nicht in der Illusion wiegt, dass bereits die Gleichberechtigung ausgebrochen ist. Toll, weilter so!

  5. Dein Text spricht mir aus dem Herzen! Auch wenn viele den Sexismus nicht sehen wollen, ist er trotzdem da.
    Ich erinnere mich noch genau an mein Betriebspraktikum in der 9. Klasse (okay, das ist inzwischen 12 Jahre her, aber seitdem hat sich nicht viel geändert) in einer Druckerei, wo mir ein Druckermeister erklärt hat, dass ich ja durchaus dort im Büro arbeiten könnte, aber NIEMALS Druckerin werden kann, da ich ja eine FRAU bin und für den großen Drucker muss man ja gut sehen können, Farben unterscheiden und so. Ja, genau das war seine Argumentation! Höchstens bei den kleinen Druckern, die Glückwunschkarten und so herstellen, wäre was für mich drin, aber bei seinem GROSSEN DING…!

  6. Harte, ehrliche Worte. Und die sind nötig. Ich find den Text super!
    Allerdings ist dieser Satz, wenn mich nicht alles täuscht, unvollständig: “Und wenn dann in ein paar Jahren wieder der kleine Mann aus Angst ihm könne etwas aus seiner von Geburt an privilegierten Position die er einem Stück Fleisch zwischen seinen Beinen verdankt weggenommen werden, dann schaut ihm geradeweg in die Augen und weicht nicht zurück.”
    Ich will nicht pingelig sein, sondern würde einfach gern wissen, was da fehlt - sprich, was tut dieser Mann in ein paar Jahren? was waren deine Gedanken bei dem Satz?

  7. Pingback: Prädikat Quotenfrau @ Saakje Daheim

  8. Hey,
    der Text ist einfach super geschrieben! *___*
    Ich freu mich drauf, noch mehr von dir zu lesen!

    Liebe Grüße :)

  9. Gut geschrieben und absolut richtig. Danke und weiter so. Dran bleiben.
    Sport frei!

  10. Ein sehr guter Artikel und ich glaube die Darstellungen aufs Wort - schon aufgrund eigener Erfahrungen.
    Ich habe allerdings folgende Frage: bei aller Qualifikation und allem Selbstbewusstsein und dem Bewusstsein, dass solche blöden und sexistischen Sprüche kommen: Wieso ist immer von Lächeln und Mitmachen die Rede?
    Warum auf die Frage nach dem Kaffee nicht die Antwort: Klar, wie alle im Team, oder?
    Oder bei der Tür: Oh, das will ich auch mal probieren, gehen Sie doch mal vor!
    Ich sage nicht, dass es leicht ist und ich sage nicht, dass man jemals Teil eines Buddy-Netzwerkes werden wird, ich finde nur aus eigener Erfahrung, dass das charmante Lächeln die Chancen im Spiel auch nicht erhöht.

    • Die Antwort aufs Kaffee kochen hab sogar genauso gesagt. :)

      • Wieso steht’s dann nicht da? Das sind doch genau die Antworten, um die es geht, um etwas zu verändern.

        • Weil der Text in einem anderen Kontext entstand und auch etwas anderes transportieren soll, als Handlungsanweisungen.

          • Sorry, das sollte nicht so aggressiv rüberkommen - ich finde nur, dass nach wie vor eben soviel an Misstand aufgezeigt wird - und eben nicht, was in der Situation nützlich sein kann.

  11. Irgendwie leuchtet mir das nicht ein.

    Du sagst, wir werden unterdrückt und schlecht behandelt, weil wir Frauen sind. Soweit so eindeutig und unwidersprochen.

    Aber die Lösung des Problems siehst du darin, mit dem gleichen “Arschloch”Verhalten, dass du den Männern vorwirfst, auf die Männer los zu gehen?
    Oder missverstehe ich da etwas?

    Kann, falls es so gemeint ist, doch keine besonders gewinnbringende Lösung sein, oder?

    Ich kenne genug Männer, die a) der Meinung sind, dass das mit der Gleichberechtigung noch nicht so weit ist wie es sein sollte aber b) wirklich keinerlei Kooperationsboden sehen, wenn sie sowas hier lesen. Das verstehe ich auch. Das ist nämlich kein Miteinander, wo das hin führt, sondern ein konfrontatives Gegeneinander.
    Warum? Weil wir es können? Weil wir verbittert sind? Ich weiß es nicht. Ich finde das sehr traurig.

    Es gibt da noch andere Wege!

    • Du missverstehst anscheinend “sich nicht einschüchtern lassen” mit “andere (sexuell) belästigen” bzw. “andere klein machen”.

  12. Ich stimme dem ja zu, muss ja nicht jede Formulierung und jeden Gedanken unterschreiben. Ist ok, ran Mädels, setzt Euch durch.

    Aber ich erinnere mich auch an meine Sekretärin, ja ich hatte eine, der habe ich vor 20 Jahren das Kaffeekochen genommen, das zum Kopierer gehen, usw., alles das mit dem sie meinen Vorgänger betüttelt hatte, auch das Schreiben von Briefen etc. Ich wollte, dass sie sich stärker qualifiziert. Sie war oft todunglücklich. Aber die Zeiten haben sich ja geändert, oder?