Wir waren kurz vor die Tür gegangen, um frische Luft zu schnappen. Die Maischberger Sendung sollte gleich los gehen. Keine Minute draußen, da folgte uns ein junger Mann, dann noch einer, dann noch einer, dann noch fünf. Die Gruppe war uns schon zu Beginn aufgefallen, da sie uns beim Ankommen von oben bis unten musterten. Kritisch. Wertend. Einschätzend. Ausdauernd.
„Na ihr!“ dreht sich einer zu uns, die Zigarette unbeholfen in der Hand. „Ihr seid doch bestimmt Feministinnen!“
Elli, Jasna und ich wechseln einen kurzen Blick. Okay, das könnte lustig werden, denke ich und frage zurück: „Wieso das denn?“
„Na, ihr seht halt so aus. Wie Feministinnen.“
Jasna und Elli wollen es nicht gelten lassen. „Erklär doch mal“ sagt Jasna, „woran erkennt man denn eine Feministin?“
„Frauen, die einfach so selbstbewusst da stehen… na ihr müsst Feministinnen sein!“
„Frauen.. die selbstbewusst… da stehen…“ wir wiederholen die Aussage langsam, das muss man erst mal verstehen. Wir lassen die Frage, ob wir Feministinnen seien unbeantwortet. „Für wen bist du denn da?“ frage ich. Meine Neugier ist geweckt. Er weicht aus.
„Also ich hab ja nichts gegen Frauen“ fährt er fort, „aber der Feminismus will alle Männer unterdrücken. Das finde ich total unfair.“ Er scheint das wirklich ernst zu meinen. Wirkt unsicher.
„Inwiefern unterdrücken Feministinnen denn Männer?“ fragt Elli oder Jasna oder ich, ich weiß es nicht mehr.
Er redet weiter, fahrig, nicht richtig antwortend, eher zu sich selbst sprechend. „Ich hab da so einen Kumpel, der wird von seiner Freundin total unterdrückt. Der kann gar nichts mehr.“
„Und was hat Feminismus damit zu tun?“
„Seit er mit der zusammen ist hat er nie Zeit für mich. Nur immer sie. Nie geht er raus.“ Oh, ich ahne worum es geht. Vielleicht hilft es ja, jetzt mal von dieser Meta-Ebene runter zu kommen.
„Das ist doch normal, wenn man frisch verliebt ist. Das geht auch vielen Frauen mit ihren Freundinnen so“ setze ich an.
„Das ist es ja! Die sind schon lange zusammen. Und sie unterdrückt ihn! Der Feminismus!“
„Ich denke, das ist eher eine Frauen-Männer Sache, als eine Feminismus-Sache“ versucht es Elli.
„Guck mal, wie würde es dir denn gehen, wenn deine Freundin nicht für dich da ist wenn es dir schlecht geht, weil der fünfte Cousin ihres Freundes Geburtstag hat?“ Ich gucke ihn an. „Ja, das kenne ich. Ist scheiße. Aber Freundschaften entwickeln sich eben.“ Dann, kurze Pause: „Hast du ihn mal darauf angesprochen?“
„Ja. Sie unterdrückt ihn. Der Feminismus!“
„Du, das hat mit Feministinnen nichts zu tun.“
„Ich wusste doch, dass ihr Feministinnen seid!“ Plötzlich ist er wieder groß, stark, nicht mehr verletzlich. Er ist gekränkt. „Auch wenn ihr das verneint habt!“ Er guckt uns böse an.
„Niemand hat irgendwas verneint“ sagt Jasna.
„Doch, gerade du!“ sagt er ihr. Und dann: „Wo kommst du her?“
„Deutschland. Ich bin Deutsche.“
„Nein. Ich meine: woher kommst du? Du bist doch Türkin! Oder so! Guck mal wie du aussiehst! Du bist keine Deutsche!“
Mein Toleranzlevel ist voll. Ich bin dabei zu gehen. Nach etwas Hin und Her gehen wir rein.
Wir erfahren kurz darauf, dass die Gruppe Jungs - Männer wäre wirklich zu viel des Guten - reihum alle Frauen unter 30 vor der Sendung ansprachen. Wie in einer Übung. Einer der verantwortlichen Redakteure läuft vorbei, ich halte ihn auf. „Ich war darauf gefasst, anti-feministische Kommentare zu bekommen, das kenne ich, das war zu erwarten. Aber dass wir uns rassistisch angehen lassen müssen, ist wirklich unakzeptabel.“ Wir erklären die Situation. Stellt sich raus: die Gruppe Jungs - etwa 12 - waren Gäste des Pick Up Artists, der seinen geistigen Sondermüll schon bei ZDF Neo abließ und über krautchan eine für ihn günstige Abstimmung organisierte - ohne, dass die ÖR etwas bemerkten. Der verantwortliche Redakteur entschuldigt sich sofort bei Jasna, bietet an, den Typen zu konfrontieren, mit ihm zu reden. „Ich stelle mich jetzt nicht in die Gruppe und diskutiere das. Wir sind drei Frauen, entweder Sie glauben uns, oder nicht“ sage ich. Schnauze mittlerweile voll. Jasna ist eh nervös, vor der Sendung, wir litten doch alle mit Kathy mit. Sagt, sie hat keine Lust das Rudel draußen durch einen Ausschluss eines der ihren zu provozieren. Ich stimme zu. Je länger wir eben diskutierten desto näher schienen die anderen Männer zu rücken. Gruselige Vorstellung. Der Redakteur verspricht, nach der Sendung mit dem Gast zu sprechen. Heute erfährt Jasna, dass der Mann einfach auflegte, als der Redakteur anrief.
Ich will ja nichts sagen…. aber….
Das kommt davon, liebe ÖR, wenn man sich nicht informiert.
Wenn man solchen Leuten Plattformen bietet - sei es als Talkshow-Gast (der „Artist“ sollte erst bei Maischberger reden, durfte zum Trost dann seine Fußballmannschaft ins Publikum mitbringen) oder im Publikum. Eine Sendung zu Sexismus, und alle jüngeren Frauen müssen sich im Vorfeld der Sendung systematisch auf unangenehmste objektifizierende Weise mustern lassen. Einige sich beschimpfen lassen.
Und ich bleibe ratlos zurück: das sind diese Anti-Feministen? Diese Trolle, die mir hier die Kommentare vollkotzen oder auf Ask.fm fragen, ob ich „für Reizwäsche zu frivol“ bin? Kleine, verunsicherte Männer, die traurig sind, dass ihr bester Freund keine Zeit mehr für sie hat?
Ja, das sind sie. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie einfach Opfer von Leuten wie dem Pick Up Artist (Menschen, die Frauen beim ersten Ansprechen subtil runter machen, damit diese sich so schlecht fühlen, dass sie für die Anmache als Selbstbestätigung empfänglicher sind, ganz kranker Scheiß) sind, der locker zehn, fünfzehn Jahre älter war als seine „Bekannten“, die sich so eine kleine Armee zusammenstellen, um für ihre Ziele zu arbeiten. Die natürlich nen Scheiß damit zu tun haben, was der beste Freund des Typen denkt. Oder dessen Freundin. Das passt im Übrigen auch zu den Studien und Untersuchungen, die es zu dem Thema gibt. Das jedoch live mitzubekommen ist - unschön. Und sehr, sehr traurig.
Ich frage mich, wie man dem entgegen wirken kann? Geht das überhaupt als Frau? Oder müssen wir hier in unsere männlichen Mitstreiter vertrauen? Sollte man da von unten, der Wurzel aus ran? Oder einfach diesen „Artist“ als das entlarven, was er ist - ein kranker Mensch dem es nur um sich geht?
Der Typ der uns ansprach könnte so ein sympathischer Mann sein. Man merkte sofort, dass er in dieser „ich mache Frauen jetzt runter um zu sehen ob ich sie rumkriege“-Rolle nicht natürlich war, wie es bei manchen Menschen (sic) leider der Fall ist, und generell so sensibel, in allem was er schilderte. Wie ein kleiner Bruder, den man trösten sollte. Und nicht zum Anti-Feministen anstacheln sollte. Nach der Sendung machte er ein Foto mit Alice Schwarzer. Und der Pick Up Artist sprach sie an. Er fände es gut, dass sie Männer nicht mehr so sehr hassen würde.
„Schatz“ sagte Schwarzer, „ich habe Männer nie gehasst.“




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